Der nachfolgende Text stammt vom Generalbevollmächtigten der VLN Karl Mauer. Da Dirk Hagemeier Mitglied im RCM war, veröffentlichen wir ihn in unseren News:

 

Einer von uns

 

Zum Tode von Dirk Hagemeier

Der Mann war ein Baum. Mit einer Körpergröße von exakt zwei Metern beherrschte er  die Szene wie eine der stattlichen Tannen in seinem sieben Hektar großen Waldgelände auf dem Kniebis, einem 960 Meter hohen Bergrücken im Schwarzwald. Der Baum fiel am 2. Juni, unspektakulär, weder im Sturm noch mit mächtigem Getöse: Dirk Hagemeier erlag im Alter von 56 Jahren nach der erfolgreich verlaufenden Routine-Operation eines Oberbauch-Bruchs postoperativen Komplikationen in Folge einer Medikamenten-unverträglichkeit.

Natürlich kannte jeder, der im Motorsport organisatorisch oder administrativ tätig ist, Dirk Hagemeier: Als Mitbegründer und Leiter der heutigen DMSB Staffel, als Leiter der Streckensicherung bei zahllosen Formel 1-Rennen in Deutschland, als langjährigen Leiter der Streckensicherung in der VLN, als Leiter des Fachausschusses “Sicherheit” beim DMSB, als Abnahmekommissar von Berg-, Rund- und Kartstrecken, als Referent der DMSB-Academy für die Ausbildung von Rennleitern und Leitern der Streckensicherung. Dirk war „Mr. Sicherheit“ im deutschen Motorsport, kompetent, hilfsbereit, engagiert und mit der Erfahrung von rund drei Jahrzehnten auf diesem Gebiet. In dieser Eigenschaft wurde er geschätzt und nach seinem plötzlichen Ableben in zahlreichen Nachrufen gewürdigt.

Wer freilich am 15. Juni der Trauerfeier in seiner Kirchengemeinde Kniebis mit Trachtenkapelle und Frauenchor beiwohnte, lernte posthum einen anderen Dirk Hagemeier kennen: tief verwurzelt in der kleinen Schwarzwald-Gemeinde, sozial engagiert und heimatverbunden. Kurzum: „Einer von uns.“

Ein solches Maß an Integration benötigt schon mehr als nur die oberflächliche Zuneigung zu einer Region, die von Zugereisten hauptsächlich wegen ihrer landschaftlichen Reize geschätzt wird: „Wir mochten von Anfang an auch die Menschen hier“, begründet Karin Hagemeier den Umzug vom heimischen Remscheid-Lennep in den Schwarzwald vor 22 Jahren. Fünf Jahren in Freudenstadt-Grüntal folgte vor 17 Jahren schließlich der Erwerb eines stattlichen Hauses auf dem Kniebis, großes Grundstück und sieben Hektar Tannenwald eingeschlossen.

Hier lag die Parallelwelt von Dirk Hagemeier, der qua Beruf und Berufung ständig auf Achse war: als Außendienst-Mitarbeiter von Peugeot oder Subaru, für den Schmiermittel-Hersteller Fuchs und zuletzt für die Costenoble GmbH, ein Unternehmen aus der chemisch-technischen Industrie. Und als Sicherheits-Papst des Motorsports. Raumfüllend, bisweilen mit dröhnender Stimme pflegte er in der Race Control die Rennabläufe zu dirigieren, Mutterwitz und der lockere Spruch kennzeichneten seine Lehrgänge, Kompetenz und Kreativität seine Streckenabnahmen.

„Hier, auf dem Schwarzwald, war Dirks Rückzugsraum“, sagt Karin Hagemeier, mit der er seit 27 Jahren verheiratet war. Hier hat ein anderer Dirk gelebt, als ihn die Motorsport-Welt gekannt und geschätzt hat: Waldarbeit mit dem eigenen Traktor und nachbarschaftlicher Hilfe, „Obergrillmeister“, wie es Karin Hagemeier nennt, beim alljährlichen Kniebiser Bergfest, Kleinbus-Fahrer bei Seniorenfahrten, zupackender Partner einer Ehefrau, die als stellvertretende Ortsvorsteherin, ehemalige Leiterin der Tourist-Information, 1. Vorsitzende des Ferienclubs Kniebis, ehrenamtliche Betreuerin der ortsansässigen Senioren und Leiterin der Pflanzenabteilung des Baumarkts in Freudenstadt sozial engagiert und lokal omnipräsent ist.

Ihr hat Dirk Hagemeier, der an der Rennstrecke das Kommando führte, zu Hause gerne die Verantwortung überlassen: „Dirk hat hier aus der Ruhe die Kraft geschöpft, die er für seine vielfältigen Tätigkeiten benötigte, bisweilen in sich gekehrt und nachdenklich. Manchmal hat er einen halben Tag lang in der Garage gewerkelt oder mehrere Stunden lautlos in seinem Büro verbracht.“

Dort hatte er auch einen Vers gerahmt, den er auf einer seiner Seniorenfahrten in einer Kirche gehört hatte:

Herr, weil mich festhält
Deine starke Hand,
vertrau ich still.
Weil Du voll Liebe
Dich mir zugewandt,
Vertrau ich still.
Du machst mich stark,
Du gibst mir frohen Mut,
ich preise Dich,
Dein Wille, Herr ist gut.

Die Trauerkarte für Dirk Hagemeier trug diesen Vers ebenfalls. Er zeugt von einer Spiritualität, die gewiss nicht seinen Charakter ausgemacht hat. Aber sie offenbart eine Ebene des Menschen Dirk Hagemeier, die den meisten verborgen blieb, selbst wenn sie viele Jahre lang mit ihm verbunden waren. Diese Ebene zu erschließen, ist den Zurückgebliebenen nun nicht mehr möglich. Umso wertvoller sind die Erinnerungen, die sich mit einem treuen Freund der VLN verknüpfen.

 

Lebe wohl, Dirk.